Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat ein Konzept vorgelegt, dass die Fortführung der Bundesliga ab dem 9. Mai wieder ermöglichen soll. In der Politik kommt der Vorschlag gut an, bei den aktiven Ultragruppen Deutschlands nicht. – Ein Kommentar von Felix Lucarelli
Ultras sind diejenigen, die zu jedem Heim- und Auswärtsspiel ihrer Mannschaft fahren, die Stimmung im Stadion koordinieren, aber auch immer wieder als kritische Fans auftreten. Den Vorschlag zur Fortführung des Fußballalltags sieht der „Fanszenen Deutschland“-Zusammenschluss mit über 70 Ultragruppen aus ganz Deutschland kritisch.
Der Wirtschaftsfaktor Bundesliga
Die möglichst schnelle Fortsetzung des Profifußballs in Deutschland wollen die Deutsche Fußballliga (DFL) und die Vereine der 1. und 2. Bundesliga besonders aus wirtschaftlichen Gründen durchsetzen. Durch die Unterbrechung des Fußballbetriebs fallen fast alle Einnahmen der Fußballclubs weg.
Eine Fortsetzung des Fußballs mit Geisterspielen würde die TV-Einnahmen wieder reinbringen, und die sind ein erheblicher Teil des Gesamtumsatzes: für die Saison 2019/20 war fast eine Milliarde Euro für die 18 Vereine der 1. Bundesliga vertraglich bestimmt – solange kein Fußball gespielt wird, werden diese Gelder nicht gezahlt.
Trotz der extrem hohen Summen, die im Profifußball fließen, scheint selbst die vergleichsweise kurze Unterbrechung für die Profivereine eine wirtschaftlich große Herausforderung darzustellen. In vielen Vereinen verzichten Spieler auf einen Teil ihres Gehalts, um die Klubs finanziell zu entlasten. Einige Vereine meldeten für sonstige MitarbeiterInnen Kurzarbeit an. Doch wie können Konzerne, die Millionenumsätze machen, in so kurzer Zeit solche Existenzprobleme bekommen?
Diese Krise verschont auch den Fußball nicht
Während bisherige Krisen den Profifußball kaum spürbar erreicht haben, steckt er jetzt mittendrin. Das Geschäft mit dem Fußball schien bisher immer „krisensicher“. Der Ball rollte weiter und damit auch das Geld. Jetzt zeigt sich, dass der Fußball auch eine Anfälligkeit für die Krise hat.
Wie in jedem anderen Wirtschaftszweig sind die Einnahmen weggebrochen. Doch im Gegensatz zu anderen Großkonzernen waren die Fußballvereine auf die Krise nicht vorbereitet. Nun fallen Unmengen an Einnahmen weg und die aufgeblasene Finanzblase des Fußballs droht zu zerplatzen – die Geisterspiele sollen sie davor bewahren.
Der Fußball als Parallelwelt?
Während das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft in ganz Europa stillstehen, soll der Profifußball weitergehen. Die Ultras des „Fanszenen Deutschland“- Zusammenschlusses sehen das aus mehreren Gründen kritisch. Sie befürchten eine noch weitere Entfernung des Fußballs von seiner Basis, also den Fans.
Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: „Wir maßen uns nicht an, zu entscheiden, ab wann der Ball wieder rollen darf. In einer Situation, in der sich der Fußball auf diese Weise so dermaßen vom Rest der Gesellschaft entkoppeln würde, darf es jedoch nicht passieren.“
Ultras kritisieren seit Jahren eine Entfernung des Fußballs von der Gesellschaft, nicht zuletzt wegen der immer weiter steigenden Gehälter, Ablösesummen und Ticketpreise. Sollte der Fußball tatsächlich in Form von Geisterspielen fortgesetzt werden, wäre dies ein weiterer großer Schritt in eine Parallelgesellschaft: Die Vereine würden wieder Geld verdienen und könnten weiter wirtschaften, während für den Rest der Gesellschaft der Ausnahmezustand mit Kontaktverboten, Versammlungsverboten usw. fortgeführt wird.
Fußball als Gelegenheit des gesellschaftlichen Austausches
Vereinsbosse und Politiker wie Markus Söder würden die Wiederaufnahme des Spielbetriebs als einen Schritt hin zur Normalität, gerade für Fußballfans,werten. Der Fußball hat tatsächlich einen großen gesellschaftlichen Einfluss in Deutschland: jedes Wochenende kommen hunderttausende Fußballfans in Stadien und Kneipen zusammen, um sich das Spiel ihres Vereins anzuschauen.
Die Möglichkeit des Stadion- oder Kneipenbesuchs würde allerdings bei aktueller Planung der DFL wegfallen. Normalität sieht anders aus. Die Fans sind diejenigen, die seit Jahren den Profifußball am Laufen halten – durch ihre Bereitschaft, für Tickets, überteuerte Fernseh-Abos und andere Fanartikel viel Geld zu bezahlen. Die aktuell geplante Lösung würde auf dem Rücken genau dieser Fans ausgetragen werden.
Normalität nur für reiche Vereine und Spieler
Normalität und Alltag würde außerdem höchstens für eine kleine Elite an Fußballvereinen einkehren. Für die Fans und kleinere Vereine in unteren Ligen wäre das Gegenteil der Fall. Diejenigen Vereine, die weniger stark in der Öffentlichkeit stehen, finanzieren sich hauptsächlich durch Ticketpreise für das Stadion und nur zu einem kleinen Teil aus Sponsoren- und Fernsehgeldern. Auch diese Vereine würden unter einer Lösung mit Geisterspielen leiden. Die finanziellen Unterschiede würden größer und viele kleine Vereine würden vermutlich pleite gehen. Auch im Fußball würde es also Gewinner und Verlierer durch die Krise geben.
Es bleibt abzuwarten, wie die Gesundheitsbehörden auf die Pläne der DFL reagieren werden. Sollte der Profifußball ab dem 9. Mai weitergehen, ist allerdings mit großen Konflikten zwischen den Vereinen und auch den Fans zu rechnen. Der Fußball würde sich noch viel weiter vom Rest der Gesellschaft abheben.
Die reichen Vereine wollen mit aller Macht weiter ihren Profit sichern, ungeachtet der Interessen von Fans und kleineren Vereinen. Der Profifußball steuert seit Jahren immer weiter von der eigenen Basis weg und dieser nächste Schritt könnte große Empörung und Proteste der aktiven Fan-Szenen zur Folge haben.