Der Fleischindustriekonzern Tönnies versucht offenbar unmittelbar an der polnisch-ukrainischen Grenze Arbeitskräfte anzuwerben und die Orientierungslosigkeit und Not von Geflüchteten auszunutzen. – Ein Kommentar von Paul Gerber
Obwohl die wirtschaftliche Lage weiterhin mehr als angespannt ist und immer mehr Expert:innen davon ausgehen, dass die deutsche Wirtschaft wieder in eine Krise rutscht, gibt es eine Sache, an denen Unternehmen wohl immer Interesse haben: Arbeitskräfte, die bereit sind, für wenig Geld extrem harte Arbeit zu leisten.
In dieser Hinsicht ist es nicht das erste Mal, dass industriell organisierte Schlachtereien wie die von Tönnies im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Zuletzt gab es um die dortigen Arbeits- und Lebensbedingungen einen Skandal, als unzählige Beschäftigte sich mit dem Corona-Virus infizierten.
Tönnies setzt stark auf die Ausbeutung migrantischer Arbeiter:innen mithilfe von Werkverträgen, „bietet“ ihnen dafür aber auch Unterkünfte an, deren Kosten sofort wieder vom Lohn abgezogen werden.
Ganz auf dieser Linie hat das Unternehmen offenbar vor, weiterzumachen, denn Recherchen des NDR machen nun bekannt, dass drei Mitarbeiter:innen des Unternehmens an die polnisch-ukrainische Grenze geschickt worden seien, um dort Menschen – vorwiegend alleinstehende Frauen , die bereit wären in den Tönnies-Fabriken zu arbeiten, zu rekrutieren und gleich mitzunehmen.
Berichten zufolge sind die Flüchtlingslager vor Ort vollkommen überlastet, so dass die Geflüchteten dort momentan in der Regel tagelang ausharren müssen, bevor sie ihre Flucht in Richtung Westen fortsetzen können.
Offensichtlich spekuliert Tönnies darauf, in dieser Situation Geflüchtete dazu zu bewegen, sich der Arbeit und Ausbeutung in seinem Betrieb zu verpflichten, da dies ein vorgeblich einfacherer Weg in sichere Lebensverhältnisse in Deutschland sei.
Aktivist:innen vor Ort berichten jedoch, dass durch das beherzte Eingreifen anderer Helfer:innen die Rekrutierungsaktion zumindest zwischenzeitlich unterbunden werden konnte.
https://twitter.com/GGTierindustrie/status/1508805584941899784
Am Ende des Tages jedoch steht Tönnies nur als besonders prominentes und offenbar wenig um sein Image besorgtes kapitalistisches Unternehmen stellvertretend für unzählige andere, die versuchen werden, aus der Situation der Geflüchteten und der vereinfachten Vergabe von Arbeitserlaubnissen für sich in Form von neuen und möglichst schlecht bezahlten Arbeitskräften Gewinn zu schlagen.