Zeitung für Solidarität und Widerstand

Dortmund: Christliche Fundamentalist:innen bedrohen Klinikpersonal der neuen Gynaikon-Praxis

In Dortmund und der Umgebung ist die Versorgungslage für ungewollt Schwangere schlecht. Seit eine Ärztin dort am 2. November eine Klinik eröffnet hat, in der Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, bedrohen christliche Fundamentalist:innen das Klinikpersonal und die Aktivist:innen für körperliche Selbstbestimmung.

Gabie Raven ist eine Ärztin aus den Niederlanden. Schon vor ihrer Tätigkeit in Deutschland, die sie am 2. November mit der Eröffnung der „Gynaikon-Praxisklinik“ aufgenommen hat, hat sie auch ungewollt Schwangere aus Deutschland beraten. Denn in den Niederlanden ist der Abbruch bis zur 24. Schwangerschaftswoche möglich, in Deutschland nur unter bestimmten Bedingungen bis zur 12. Wenn Schwangere die Schwangerschaft nicht sehr früh bemerken und umgehend Beratungstermine finden, ist diese Frist für sie oft zu knapp.

Seit Raven die Klinik in Dortmund eröffnete, protestieren dort regelmäßig christliche Fundamentalist:innen und andere Gegner:innen der körperlichen Selbstbestimmung. Sie sprechen von der Ärztin als „Berufskillerin“ und von der Klinik als „Kinderschlachterei“, die sie „Babycaust“ nennen und mit dem Holocaust vergleichen. Das ist verfassungsrechtlich umstritten, jedoch gibt es bisher kaum Urteile gegen diesen unpassenden Vergleich, solange nicht Personen namentlich mit den Verbrechen des Hitlerfaschismus in Verbindung gebracht wurden.

Christ:innen mobilisieren gegen neue Klinik

Dabei gehen die Aktivist:innen auf dem rechten Blog „menschenrechte.online“ soweit, dass sie ihre Proteste mit bewaffneten Angriffen auf Abtreibungskliniken in den USA vergleichen. „Der Aufruf ‚Christen im Ruhrgebiet stehen auf gegen Dortmunder Spezialklinik des Todes‘ und die damit einhergehende Demonstration haben das Ziel, die gerade erst eröffnete Klinik zur Aufgabe zu zwingen, die dort arbeitenden Personen einzuschüchtern und den Vermieter zur Kündigung der
Mietverträge zu bewegen.“, erklärt die Dortmunder Beratungsstelle von „pro familia“.

„Wir wissen, dass die Versorgungssituation für einen sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch in Deutschland von Tag zu Tag schlechter wird. Umso wichtiger ist es, die bestehenden Einrichtungen, die diesen gesetzlichen Auftrag erfüllen, zu unterstützen und wirksam vor Belästigungen und Angriffen der radikalen ‚Antichoicer‘ zu schützen. Gerade eine neue Einrichtung, wie die jetzt in Dortmund gegründete, verdient unseren besonderen Dank und unsere solidarische Unterstützung.“

Bundesregierung schützt das Recht auf Selbstbestimmung nicht

Dabei sehen die Fachkräfte aus den Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen auch die Politik in der Verantwortung: „Wir erwarten von der Bundesregierung, endlich die im Koalitionsvertrag angekündigten ‚wirksamen gesetzlichen Maßnahmen‘ gegen ’sogenannte Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern‘ auf den Weg zu bringen. Von der Stadt Dortmund und dem Land NRW erwarten wir, dass sie alle Möglichkeiten ausschöpfen, die Einrichtung Gynaikon zu schützen und das im Gesetz verbriefte Recht auf einen legalen und Schwangerschaftsabbruch zu realisieren.“

Seit der Eröffnung finden zu jedem Protest der radikalen Christ:innen Gegenproteste statt, die sich schützend vor die Beschäftigten der Klinik und das Recht auf körperliche Selbstbestimmung stellen.

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